Die dynamischen wirtschaftlichen Bedingungen zwingen viele Unternehmen zum Krisenmanagement auf organisatorischer Ebene. Überlebenssicherung steht auf der Tagesordnung. Doch welche Auswirkungen hat die aktuelle wirtschaftliche Situation auf Projekte?
Meine Hypothesen:
- Die Bedeutung von Projekten, die zumeist erst längerfristig betrachtet nachhaltigen Nutzen generieren, tritt in den Hintergrund.
- Projektkrisen werden nicht erkannt bzw. nicht explizit als solche formuliert. Sie werden „verschleppt“.
- Die Verfügbarkeit von Mitarbeiter/innen wird durch den Abbau von Urlaub und Überstunden sowie Kurzarbeit erschwert.
Aufgrund dieser Hypothesen sehen wir zurzeit eine enorme Anzahl von Projekten, die sich in naher Zukunft mit Projektkrisen auseinandersetzen müssen. Der Großteil der projekt-durchführenden Organisationen ist auf diese Situation nicht vorbereitet. Es fehlt an belastbaren Kompetenzen im Umgang mit Projektkrisen (Anm.: Kompetenz verstanden als Kombination aus Wissen & Erfahrung).
Was ist eine Projektkrise?
- Eine Projektkrise stellt eine Phase der Instabilität eines Projekts dar, die die Identität des Projekts verändert. Ein Projekt ist in einer Krise, wenn es existenziell gefährdet ist und der Ausgang ungewiss ist.
- Projektkrisen sind zeitlich begrenzt. Die Krisenbewältigung muss daher in einem gewissen Zeitraum abgeschlossen werden, andernfalls ist das Projekt abzubrechen.
- Projektkrisen sind soziale Konstruktionen und legitimieren zur Veränderung. Es gibt kein mächtigeres Vehikel für Veränderungen in einem Projekt als die definierte Projektkrise. Sie ermöglicht das Projekt, als Ganzes oder einzelne Teile, grundsätzlich zu hinterfragen.
Welche Optionen gibt es im Umgang mit Projektkrisen?
Für mich gibt es 3 grundlegende Optionen zum Umgang mit Projektkrisen:
- Re-Design des Projekts: Fortführung des Projekts durch Veränderung der Identität des Projekts.
- Abbruch des Projekts: Vorzeitige Beendigung des Projekts ohne der Absicht das Projekt zu einem späteren Zeitpunkt weiterzuführen.
- Unterbrechung des Projekts: Zwischenzeitliche Unterbrechung des Projekts mit der Absicht das Projekt zu einem späteren Zeitpunkt weiterzuführen.
Während alle 3 Optionen anspruchsvoll in der Anwendung sind, möchte ich den 3. Punkt „Unterbrechung des Projekts“, aufgrund der hohen Praxisrelevanz genauer betrachten.
Worauf ist bei der Unterbrechung eines Projekts zu achten?
Punkt 1: Information der Stakeholder:
Alle internen und externen Stakeholder sind in einem adäquaten Ausmaß an Transparenz über die Projektunterbrechung zu informieren. Das bedeutet, dass neben der Information zur Entscheidung auch mögliche Szenarien zum Re-Start des Projekts dargestellt werden müssen. Die Parameter für die Entscheidung, ob das Projekt weitergeführt wird, sind zu erklären. Vereinbarungen für den Re-Start sind zu treffen (Verfügbarkeiten, rechtliche / budgetäre Konsequenzen etc.). Im Zeitraum der Unterbrechung sind die Stakeholder weiterhin mit relevanter Information zu versorgen.
Punkt 2: Feedback an Mitglieder der Projektorganisation:
Innerhalb der Projektorganisation sind Kommunikationsformate notwendig, die einen wertschätzenden Umgang mit den Mitgliedern der Projektorganisation ermöglichen. Es liegt in der Verantwortung von Projektauftraggeber/in und Projektmanager/in einen entsprechenden Rahmen zu schaffen. Führungsverantwortung ist wahrzunehmen! Neben einer Interpretation der Entscheidung für die Unterbrechung ist der soziale Aspekt zu berücksichtigen. Im Team zu reflektieren und sich gegenseitig Feedback zu geben hilft den Mitgliedern der Projektorganisation die Situation zu verarbeiten, ermöglicht neue Sichtweisen, schafft Vertrauen und sichert das Buy-in für die weitere Vorgangsweise.
Punkt 3: Sicherung der erzielten Ergebnisse:
Um einen Re-Start möglichst effizient zu gestalten, sind alle Zwischenergebnisse zu sichern. Das beinhaltet sowohl inhaltliche Ergebnisse, als auch Ergebnisse zum Projektmanagement. Entscheidungen und Kommunikationsmaßnahmen sind zu dokumentieren, um Nachvollziehbarkeit zu sichern. Zu diesem Zeitpunkt wird bereits der Grundstein für den Re-Start des Projekts gelegt!
Punkt 4: Sicherung der Verfügbarkeit der Projektteammitglieder bei Re-Start:
Um einen Re-Start zu unterstützen, ist das Projektteam möglichst konstant zu halten. Wie und in welchem Ausmaß das Projektteam zum Zeitpunkt eines Re-Starts zur Verfügung steht, darf nicht dem Zufall überlassen werden. Gemeinsam mit dem Projektteam sind Szenarien für die weitere Vorgangsweise abzustimmen und Zeitpunkte für Entscheidungen zu definieren, um ein höchstmögliches Ausmaß an Planungssicherheit zu erlangen.
Punkt 5: Planung des Re-Starts des Projekts:
Der Re-Start eines Projekts darf nicht erst am Ende der Unterbrechung geplant werden. Bereits zum Beginn der Unterbrechungsperiode sind – basierend auf ersten Hypothesen – initiale Projektpläne für den Re-Start im Projektteam vorzubereiten. Zum Zeitpunkt des Re-Starts können diese auf Stimmigkeit überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Ein Re-Start hat so zeitsparend und effizient wie möglich zu erfolgen. Die vorhandenen Ressourcen vor der Unterbrechung können dafür genutzt werden.
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